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Zum Werk
(aus: Lexikon der Illustration im deutschen Sprachraum seit 1945. Text von Silke Rabus)
Linda Wolfsgrubers Werk zeichnet sich durch eine außerordentliche Vielfalt aus: Arbeiten mit
Acryl, Buntstift, Collage, Feder, Fotografie, Lithografie, Ölfarben, Ölkreide, Monotypie, Nadel
und Faden, Radierung, Tempera u. a. m. belegen eine stilistische Breite, die ihresgleichen
sucht. "Mir ist es ein besonderes Bedürfnis, in jedes Buch etwas Neues einzubringen.", hat
die Illustratorin einmal gesagt. In kürzester Zeit macht sie sich neue Techniken zu Eigen,
entdeckt unbekannte Materialien oder experimentiert mit abwechslungsreich kombinierten
Mischtechniken - all dies im spannungsreichen Einklang mit den von ihr illustrierten Texten
und doch stets weit über sie hinausweisend: Fast scheint es, als lieferten die illustrierten
Erzählungen und Gedichte in erster Linie Anreize für das freie Spiel mit den "Elementen",
anstatt die Illustratorin an längere Handlungsabläufe zu binden. Diese bemerkenswerte
Experimentierfreude bringt gegenständliche wie abstrakte Kunstwerke von höchster
Raffinesse hervor; bezaubernde, humorvolle, verwirrende und abgründige Illustrationen, die
vor allem eines belegen: Linda Wolfsgrubers Lust am Spiel mit Assoziation und Variation.
Nach frühen Arbeiten als freie Künstlerin und Werbegrafikerin in Florenz und Bruneck
erscheinen mit "Simon und die Tiere" (1986) und "Das rote Paket" (1987) die ersten
Bilderbücher. Gemeinsam mit dem Grafiker Gino Alberti verfasst Linda Wolfsgruber nicht nur
die Texte, sondern sie entwirft gemeinsam mit ihrem Partner auch die an Naive Malerei
erinnernden Illustrationen: Sie habe die Häuser gemalt, Gino Alberti die Bäume, beschreibt
Wolfsgruber die teils vierhändigen visuellen Interpretationen, die sich in Technik und Stil die
Illustrationen von Binette Schroeder zum Vorbild nehmen. Dabei werden wässrig-lavierende
Acrylfarben auf nicht grundiertem (Bunt-)Papier aufgetragen und mit Ölkreide akzentuiert.
Die entstandenen pastellfarbenen Landschaften und stilisierten Stadtansichten entfalten
mittels schräger Aufsichten eine flächig-abstrakte Wirkung; ihr Erscheinungsbild zeigt eine
Affinität zur Südtiroler Herkunftsgegend. Ungelenk-kompakt und naiv anmutende Figuren,
leere Bildräume, die Wiederholung von Mustern und Strukturen, fließend abgestufte
Farbverläufe und die auffallende Überlagerung mit weißer Ölkreide verantworten rätselhafte,
seltsam distanzierte Atmosphären am Rande des Kitsches. Aller Schablonenhaftigkeit und
Künstlichkeit zum Trotz erweitert Wolfsgruber damit ihre noch sehr gegenständlich am Text
orientierten Bilder um eine stimmungsvoll-atmosphärische Dimension. Dazu kommt in dieser
frühen Phase ein zunehmend versiertes Spiel mit Farbe und Licht, vor allem in Innenraumund
Nachtszenen.
Mit „Prinz und die Blume“ (1990) publiziert Wolfsgruber dann ihr erstes Buch, in dem sie die
Illustrationen im Alleingang macht; in „Kater Leo“ (1990) verfasst sie auch den Text. Verstärkt
spielt die Künstlerin nun mit Größenverhältnissen, schneidet Figuren an, wechselt die
Perspektive. Ihr Stil verliert an Naivität, die Illustrationen finden zu wachsender
Ausgewogenheit, durchscheinende Strukturen verschiedener Papier- und
Leinwanduntergründe entwickeln ihren eigenen Reiz. Erste freie Arbeiten mit der Radierung
schlagen sich zudem im skizzenhaften Strich und stärkeren Hell-Dunkel-Kontrasten auch in
Wolfsgrubers Acryl-Bildern nieder.
Der Wechsel nach Wien im Jahr 1992 zieht einen deutlichen Bruch in der künstlerischen
Biographie nach sich und äußert sich in einer wachsenden stilistischen Vielfalt. Erstmals
verwendet die Illustratorin in dem bibliophil gestalteten Lehrerlesebuch „hinter die dinge
sehen“ (1993) die Monotypie. Im Zusammenspiel mit anderen Techniken entstehen dabei oft
abstrakte, manchmal seitenverkehrte Schwarz-Weiß-Illustrationen, die vor allem durch das
weitgehend ungegenständliche Nebeneinander von Fläche und Form, von Schrift und Bild,
von Struktur und Kontur überzeugen. Ebenfalls 1993 erscheinen in „birnbaeume“ mit
Monotypie kombinierte Kaltnadelradierungen zu Nobert C. Kasers Prosa und Gedichten –
erstmals zeichnet die gelernte Schriftsetzerin auch für die aufwändige Typographie und
Buchgestaltung verantwortlich. Unterschiedliche Papiersorten, Kratzer in den verwendeten
Metallplatten, Federzeichnungen und Übermalungen erzeugen eigenartig unruhige
Strukturen und regen zur sinnlichen Betrachtung der vorwiegend in Schwarz-Weiß
gehaltenen Illustrationen an. Norbert C. Kasers lakonisch verknappte, aus dem Konkreten
schöpfende Texte übersetzt Linda Wolfsgruber dabei in flächige Bilder. Deren abstrakter
Charakter erweitert zudem die in Kasers Prosa und Gedichten eröffneten Assoziationsräume
durch eine freie spielerische Note.
Neben einer singulären Arbeit in der gegenständlichen Illustration – 1994 erscheint das
naturalistisch gezeichnete „1. Wiener Kinderkochbuch“ in Bleistift und Tempera – erkundet
die Illustratorin weiter Neuland. Dies nicht nur in der Erprobung neuer Techniken wie zum
Beispiel die farbige Monotypie in „Küss mich Frosch“ (1995); Mitte der 90er Jahre findet
Wolfsgruber auch in ihrer Erzählhaltung zu einer neuen Linie: skurril, ironisch, philosophisch,
verspielt, wild.
Zu Beginn dieser Entwicklung – und am Ende einer langen Zusammenarbeit mit bohem
press – stehen die weicher wirkenden Tempera-Illustrationen zu „Bianca und die drei wilden
Kater“ (1994). Grob strukturierte Untergründe, mit Ölkreiden akzentuierte Farbflächen,
verzerrte Figuren, zart gestrichelte Konturen, vor allem aber kleine Graffitis und amüsante
Details verweisen auf die spielerische Note, mit der Linda Wolfsgruber nun ihre lichter
werdenden Bilder verziert. Erstmals mit der kolorierten Ätzradierung im Aquatintaverfahren
arbeitet die Künstlerin dann in Ernst A. Ekkers „König und Narr“ (1994): Mit einem
Stahlstichel überträgt sie ihre Zeichnung auf eine grundierte Metallplatte, das für den Druck
verwendete Papier wird zunächst mit Kaffee eingefärbt und anschließend mit Aquarell
koloriert. Die zerkratzten, flächigen Illustrationen nehmen den Text zudem wörtlich: Ein wie
aufgezogen gackerndes Huhn wird zum aufziehbaren Huhn, ein Schreckschirm ist ein
Regenschirm mit erschrecktem Gesicht.
Durch die Technik der kolorierten Ätzradierung bedingt, wird Wolfsgrubers Werk insgesamt
grafischer: Nun bestimmen Linie und Struktur die mit Tee oder Kaffee eingefärbten
Hintergründe. Es entstehen vielschichtige Bilder mit zerkratzten Oberflächen, deren
Gegeneinander von Schwarz-Weiß und Farbe zu dialogreichen Kontrasten führt („Als Anja
dem Christkind entgegenging“, 1996). Aber nicht nur Kontur und Schraffur prägen diese
Phase von Wolfsgrubers Werk, sondern auch ein zunehmend spielerischer Umgang mit
Versatzstücken, welche in einem symbolfreien Assoziationsverhältnis zueinander stehen. In
„Wolf oder Schaf, böse oder brav“ (1996), ebenfalls illustriert mit kolorierten Ätzradierungen,
zitiert sie verfremdete Kunstwerke (etwa Andy Warhols Campbell’s Tomato-Soup-Dosen),
sich selbst (z. B. das genannte Aufziehhuhn in „König und Narr“) oder bildet textunabhängig
Katzen, Raben und andere Tiere ab. Wolfsgrubers Bilder geraten nun immer stärker in
Bewegung; sie gehorchen einem freien Rhythmus, lassen die Aufmerksamkeit driften und an
einer Vielzahl an Details andocken und bestechen dabei durch einen ebenso
augenzwinkernden wie abgründigen Humor.
Eine kräftigere Farbgebung kennzeichnet Linda Wolfsgrubers Stil seit „Die Prinzessin auf
dem Kürbis“ (1998). Wie auch in „Kuckuck! Kuckuck!“ (1999) und „Luzi“ (2001) deckt sie
Kaltnadelradierungen mit Tempera ab, um eine plakative Wirkung zu erzielen. Vor dem
dynamischen Zusammenspiel großzügig dimensionierter Farbflächen bleiben Wolfsgrubers
mittlerweile stärker konturierte Figuren gewollt unproportioniert und schablonenhaft;
gegeneinander verschobene Perspektiven verwehren sich der Logik der Raumtiefe und
verstärken so die flächige Wirkung von Objekten und Gebäuden im Bildraum.
Verschiedenste Versatzstücke dienen zum einen als dekoratives Element; zum anderen
bilden sie die Substanz des sich zusehends lustvoller entfaltenden Humors der Illustratorin.
Diese Lust am Spiel mit textunabhängigen Details wird in besonderem Maße in „Warum der
Hase lange Ohren hat“ (1999) spürbar. In den kolorierten Ätzradierungen sammelt
Wolfsgruber zahlreiche Details aus ihrer eigener Alltagsumgebung; dazu kommen Zitate aus
Kunst und Medien, sich aufeinander beziehende und wiederholende Muster sowie allerlei
absurde, oft bösartige Einsprengsel, die zu erheiternden Assoziationen anregen.
Fast mit jedem weiteren Buch ändert sich nun, ab Ende der 90er Jahre, Linda Wolfsgrubers
Technik. In den Illustrationen zu H. C. Artmanns blutrünstigen, mordlustigen Kindergedichten
in „Allerleirausch“ (1999) etwa bestaunt man das Repertoire an künstlerischen Techniken:
Bleistift- und Federzeichnung, Aquarell- und Ölkreidenmalerei, Collage und Typographie
sowie, erstmals, die Arbeit mit fotografierten Objekten. Zugleich lotet Wolfsgruber auch in der
Textinterpretation neue Grenzen aus, stellt über die teils wortwörtliche Auslegung von H. C.
Artmanns Lyrik beklemmende Gedankenverbindungen satirischen und erotischen Charakters
her.
Wolfsgrubers Illustrationen wirken immer mehr wie aus der Bedeutungshoheit der Sprache
entlassene Geschöpfe, die ihre Herkunft sehr wohl erkennen lassen (diese sogar humorvoll
reflektieren), zugleich aber ein munteres Eigenleben entfalten. Diese Art der visuellen
Interpretation einzelner Wörter oder des Sprachspiels mit umgangssprachlichen Wendungen
findet sich geradezu prototypisch in dem gemeinsam mit Renate Habinger publizierten
Märchen-ABC-Buch „Es war einmal von A bis Zett“ (2000), welches zugleich die langjährige
Kooperation mit dem Verlag Bibliothek der Provinz begründet. Beide Illustratorinnen
zeichnen zunächst getrennt, fügen dann Bilder zusammen, übermalen und verwischen
Urheberschaften. Auf beigen Hintergründen verschmelzen (Schreib-)Schrift und
(Schwarzweiß-)Bilder; es entsteht ein experimentelles Kompendium, in dem sich Sprache
und Illustration spielerisch zu den unterschiedlichsten Bedeutungen verketten.
Immer wieder erschließt Linda Wolfsgruber dem Eigenleben ihrer Kreationen (und
Kreaturen) neue Räume: „Prinzessin Rotznase“ (2000) etwa begreift sie als dreidimensionale
Bühnensituation in einem Kaspertheater. Die Künstlerin bastelt Stabpuppen, kostümiert sie
mit selbst genähten Kleidern, kopiert und koloriert sie und lässt sie auf einer sich durch das
ganze Buch ziehenden verzerrten Tischbühne agieren. Unzählige Accessoires bilden die
Requisiten: Haare, Pflanzenteile, Bürsten, Schlüssel, Papiere werden kopiert,
ausgeschnitten und als Collage erneut montiert, dazu experimentiert die Künstlerin mit
Schrift und einer enormen Stilvielfalt. In einem zügellosen, postmodern anmutenden
Plünderungsrausch sammelt Wolfsgruber Versatzstücke und baut sie mit spielerischer
Leidenschaft in immer neuen Zusammenhängen ein.
Diese spielerische Leidenschaft macht sich allerdings nicht nur innerhalb bestimmter Werke
und hier am bestätigten Wechsel von Materialien und Stilen bemerkbar; sie manifestiert sich
auch und zusehends stärker in einer Art Rollenwandel, den Wolfsgruber als Künstlerin
praktiziert – so, als wäre jedes weitere Buch, jede freie Arbeit eine neue Verkleidung, mit der
sie auf der Bühne ihres Schaffens auftritt und diese erweitert.
Da sind einmal die von hohem Abstraktionsgrad geprägten Illustrationen zum Sagenband
über die Saligen „Von den wilden Frauen“ (2000). Mit Naturmaterialien gebaute Objekte
werden fotografiert und mit Kaltnadelradierung und Monotypie auf mattgelbem Papier in
Brauntönen zu völlig reduzierten Strukturen verfremdet. Die Illustrationen wirken in erster
Linie durch Farbe und Form, wenig Gegenständliches – zarte Federn und brüchige Blätter,
unruhige Liniengeflechte und unscharfe Formen – regt zu freien Assoziationen mit dem
Abgründigen, Geheimnisvollen an. Einen naturalistischeren Zugang wählt sie umgekehrt mit
den kolorierten Ätzradierungen zu Martin Auers „Frau Maikäfer flieg“ (2001) und Hans
Christian Andersens „Däumelinchen“ (2004). Insekten und Pflanzen bilden hier den floralen
Hintergrund für die märchenhaften Erzählungen.
Dazwischen erscheinen einige Bücher von ungewohnter Farbigkeit und Aussagekraft. So
etwa das in Kanada publizierte „Inanna from the myths of ancient sumer“ (2003), das einen
antiken Mythos der Sumerer illustriert. In gedeckten Erdfarben bedruckte Papiere werden
gerissen und neu zusammen gestellt, die darauf gezeichneten Figuren, oft in erotischen
Posen abgebildet, erinnern mit ihren geschlossenen, fließenden Umrisslinien und ihrer
archaischen Einfachheit an die Bebilderung sumerischer Tontafeln. Ebenfalls zunächst in
Kanada erschienen sind die 2004 von Celia Barker Lottridge nacherzählten „Stories from the
life of Jesus“ (erst 2007 ins Deutsche übersetzt). Auch hier arbeitet Wolfsgruber wieder mit
einer Collage selbst bedruckter Papiere, die in ihrer farblich akzentuierten Flächigkeit an
Fresken erinnern und mit Federzeichnung und Radierung erweitert werden. In „Vollendete
Sicherheit“ (2003) wiederum illustriert Wolfgruber einen Text von Ditha Brikwell und gestaltet
ein typographisch aufwändiges Buch, in dem sie das erste Mal mit der Lithographie arbeitet.
Große Gelbflächen stehen im Original gegen schwarze Hintergründe und bringen in
äußerster Reduktion stilisierte Motive voll zu Geltung.
Vor allem in den Büchern für Kinder bedient sich Linda Wolfsgruber nun der Collage. Fast
immer sind es aufwändig komponierte Bilderbücher, in denen bereits die experimentellen,
dem Sprachspiel verpflichteten Texte zur Assoziation anregen. In „Ich bin ein toller
Hecht“ (2003) beispielsweise kreiert sie wunderbar simple und schräge Wortmetaphern rund
um einen Wal, dessen gestempelter, kopierter, ausgeschnittener und übermalter Körper den
Kern einer skurrilen, farbenfrohen Figurenszenerie bildet. Das erneut gemeinsam mit Gino
Alberti illustrierte Geschenkbüchlein „Zehn kleine Engelein“ (2005) wiederum fügt Fotos,
Farbkopien, Papiere, Filzstücke oder Pflaster zu einem ironisch-distanziertem Ganzen rund
um einen Abzählreim zusammen. In „Zwei mal Zwirn“ (2005), einer Wortkaskade rund um
den Buchstaben „Z“, schließlich finden sich Fingerhüte, Zwirnspulen, Fäden und Landkarten
auf unterschiedlich strukturierten Papieren zusammengeführt, um in einem teilweise
abstrakten Form-Experiment aufzublühen – während die Illustrationen zu „Geduld bringt
Frösche“ (2005) durch das ungewöhnliche Arrangement von Fotografien, kleinen und
größeren (Feder-)Zeichnungen, zerrissenem Papier und Naturmaterialien zu eigenartigen
visuellen Verkettungen führen. In all diesen Büchern wird das Spiel mit der Assoziation nicht
nur zum motivierenden Faktor, sondern zum geradezu haptisch begegnenden Prinzip von
Komposition und Arrangement. Der zu Grunde liegende Text liefert allenfalls den
Ausgangspunkt für die von Wolfsgruber eher frei ausgestalteten als abgebildeten Bild- und
Betrachtungsräume – Räume in denen sich der Betrachter wie in einem weit verzweigten
Labyrinth bewegt und immer wieder inspiriert wird von verfremdeten Symbolfiguren,
dekorativen Details oder kryptischen Wegweisern in phantastische Welten.
Einen Namen machte sich Wolfsgruber sodann nicht nur durch die Illustration von
Bilderbüchern, sondern auch als Illustratorin längerer Texte. Kleine Vignetten, Monotypien,
Federzeichnungen, Kopien in Schwarz-Weiß u. a. m. lassen viele Erzählungen und Gedichte
für Kinder wie für Erwachsene zu kostbaren Kleinodien werden. Die Illustrationen bestechen
häufig nicht nur durch ihren leisen Witz, sondern auch durch einen enormen Reichtum an
skurrilen Motivverknüpfungen und -variationen. Erstmals gestaltet sie beispielsweise in Folke
Tegetthoffs „Alles Märchen“ (1995) Vignetten mit wunderbar reduzierten Radierungen. In
Heinz Janischs „Ich schenk dir einen Ton aus meinem Saxofon“ (1999) arbeitet sie mit
Federzeichnung, Monotypie und, damals erstmalig, auch mit der Collage von Kopien. In
Wilhelm Hauffs „Zwerg Nase“ (2000) verwendet sie Kaltnadelradierungen, manchmal
kombiniert mit Monotypie. Für Chadidscha Hasans/Najim A. Mustafas/Urs Göskens „Drei
Säcke voll Rosinen“ (2001) verziert sie die Randleisten mit Scherenschnitten und weißer
Tusche; traumhaft assoziationsreich schließlich sind die in Mischtechnik ausgeführten
Gedichtinterpretationen zu Heinz Janischs „Heute will ich langsam sein“ (2005).
Teilweise neue Wege beschreitet Linda Wolfsgruber auch in ihren Illustrationen von
Erwachsenenbüchern. Die erotischen Zeichnungen zu „Das Lexikon der Lust“ (2005) beweisen nicht nur Wolfsgrubers Sicherheit im Strich, sondern sie sind gewissermaßen auf
den Strich reduzierte Skizzen und zugleich auf das Wesentliche im körperlichen Ausdruck
konzentrierte Momentansichten. Mit nur wenigen, klar durchgezogen Konturlinien umreißt sie
mit Bleistift in größtmöglicher Schlichtheit Szenen der Lust, Körper oder erotisch besetzte
Pflanzen.
Auf einer formal entgegengesetzten Seite ihres Repertoires steht Wolfsgrubers Ölmalerei.
Zwischen 2002 und 2004 fertigt sie zum Beispiel Radierungen und Ölmalereien auf Papier
oder Leinwand nach Fotografien von Basketball spielenden Jugendlichen oder jungen
Breakdancern. Inspiriert durch den täglichen Blick aus dem Fenster ihrer Wohnung in Wien-
Ottakring auf einen belebten Marktplatz entsteht so „Yppenplatz 4356 m2“ (2005) – zu kühlen
„Schnappschüssen“ eingefrorene Situationen von rascher Bewegung und flüchtiger Pose.
Diese und andere freie Arbeiten in teils fotorealistischem Stil sind malerisch, weich, reduziert
und von verhangener Farbigkeit in Rosa-, Gelb-, Braun- und Grautönen. Nach diesem
Prinzip arbeitet Wolfsgruber auch in einer Serie von Schwimmbadbildern (Monotypie und
Ölbilder). Nach der Vorlage von (Unterwasser-)Fotografien entstehen aus der Zeit gehobene,
malerische Momentaufnahmen von tauchenden Kindern oder ins Wasser springenden
Badegästen. Neben anderen Motiven unterschiedlichster Thematik finden diese Bilder
Eingang in das von Inge Fasan getextete Buch „Das Meer ist riesengroß“ (2007). Einen
widersprüchlichen Reiz von Fremdheit erreicht Wolfsgruber auch dadurch, dass sie Bilder
aus bestehenden freien Arbeiten oder auch aus älteren Büchern für die Illustration neuer
Werke verwendet. Hans Christian Andersens „Der Halskragen“ (2005) lebt beispielsweise
vom dadurch entstehenden fragmentarischen Charakter: ein Sammelsurium von Blättern aus
unterschiedlichen künstlerischen Phasen.
Während ihres Aufenthalts in Teheran (2005–2006) stark auf Innenwelten konzentriert, findet
Linda Wolfsgruber schließlich zum Nähen. Von Gedichten der iranischen Lyrikerin, Malerin
und Filmemacherin Forugh Farrochsâd inspiriert, näht sie im breitformatigen Buchkunstwerk
„Der Vogel ist sterblich“ (2007) ungelenke Zeichnungen auf getöntes, grob gefasertes Papier.
Farbiger Faden oder aneinander gesetzte Einstichlöcher konturieren umrissbetonte Figuren
und Ornamente aus dem orientalischen Motivschatz. Einen völlig anders gearteten
Niederschlag findet Wolfsgrubers Reise nach Teheran im Kochbuch „Pistazien & Rosenduft.
Die Kunst der persischen Küche“ (2006), das sie zwar selbst gestaltet, aber gemeinsam mit
elf iranischen Studentinnen und Studenten illustriert. Es entsteht so eine mehrhändige
Komposition über eine Kultur, die Wolfsgruber dazu inspiriert hat, ihr künstlerisches Schaffen
um weitere Facetten und Färbungen zu bereichern.
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