sieben. die schöpfung
- Linda Wolfsgruber über ihr neues Buch



<< Aktuelles

Wie kamst du auf die Idee diese große Menschheitserzählung in Bildern zu erzählen?

Erstmals kam die Idee, die Schöpfung zu gestalten, als ich beim kanadischen Groundwood-Verlag alte Mythen bzw. religiöse Texte neu erzählt illustrierte, wie „Stories from the Life of Jesus“ mit Celia Barker Lottridge (2004) oder auch „Inanna. From the Myths of Ancient Sumer“ (2003). Gerade bei der Arbeit am sumerischen Mythos über die Göttin Inanna, der Urgeschichte der Frau und eine Schöpfungsgeschichte, habe ich gedacht, dass ich gerne die Genesis, mit der ich aufgewachsen bin, bearbeiten möchte. Es hat mich bei diesem Gedanken immer bewegt, dass diese Erzählung mehr als eine rein jüdisch/christliche ist, denn ich glaube, dass diese Erzählung weltweit verstanden werden kann. Da ist auch die Evolution enthalten. Dass ich dieses Projekt wieder aufgenommen habe, verdanke ich intensiven Gesprächen mit Freunden und vor allem dem dringenden Wunsch, über einen längeren Zeitraum an einer eigenen Sache zu arbeiten.

Wie hast du dich dem Text aus Genesis genähert?

Als Grundlage habe ich mit mehreren Übersetzungen gearbeitet, das war einmal die deutsche Einheitsübersetzung (2016), die der Luther-Bibel (1545) und von Rosenzweig-Buber (1929). Gerade die Übersetzung von Buber-Rosenzweig war für mich eine Offenbarung, denn diese hat mir gezeigt, ah so kann man es auch ausdrücken. Es entstanden sofort meine Bilder vor dem inneren Auge, auch durch das Hören des Oratoriums „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn. Für das Buch haben wir, die Verlegerin Katrin Feiner und ich, die Einheitsübersetzung mit wenigen Anpassungen gewählt.

Wie kam es zur Struktur des Buches?

Sieben bedingt sich durch den Rhythmus des Textes und sieben Bilder pro Schöpfungstag hat sich dann wie selbstverständlich ergeben. Denn es ist ja viel zu wenig, die Schöpfung eines Tages in einem Bild oder zwei Bildern pro Tag festzuhalten. Für mich war es dann logisch mit der Zahl sieben als Strukturelement zu arbeiten, als einen Rahmen für das Buch.

Was hat Ausschlag gegeben für die Wahl deiner Techniken?

Am Beginn arbeite ich mit Monotypie, die malerisch aussieht. Ebenso habe ich bei einigen Seiten Monotypien collagiert. Mit dem Auftauchen der Pflanzen wollte ich, auch um die Veränderung visuell zeigen zu können, die Technik ändern. Es war für mich klar, dass ich dazu ein Verfahren verwende, in dem ich ganz klein und detailliert arbeiten kann. Ich bin auch grafisch veranlagt, da ist mir die Zeichnung und der Strich wichtig. Wegen meines Asthmas kann ich aber keine Ätzradierungen mehr machen, aber fast alles, was mit dieser möglich ist, habe ich jetzt mit der Wachsmalkreide Kratztechnik umgesetzt. Diese Kratztechnik kommt sehr nahe an diese Feinheit der Ätzradierung heran, auch an die Arbeitsweise, man kratzt ewig und kann jede Kleinigkeit herausarbeiten. Aber die Kratztechnik mit Wachsmalkreide wird als etwas Kindliches abgetan und dann stoße ich wieder auf eine Arbeit von Paul Klee, der diese Technik auch angewandt hat. Da wusste ich, genau das ist es. Beim ersten Bild in der Kratztechnik habe ich noch dunkle Tusche als Deckschicht verwendet, aber das passt mir nicht für alle Bilder. Und so verwendete ich auch andere, helle Farben. Dass ich Tusche für die Deckschicht verwende, ist meine Weiterentwicklung dieser Technik.

Du spielst auch auffällig mit den Größenverhältnissen, wenn du Pflanzen oder Tiere auftauchen lässt.

Bewusst habe ich mit den Verhältnissen so gespielt, wie sie z.B. in naiven Darstellungen zu finden sind. Aber auch andere Einzelheiten finden sich auf den Bildern, z.B. bei den Pflanzen ist ein Heidelbeerstrauch zu sehen, der auf der nächsten Seite zu einem Baum geworden ist. Damit habe ich das Wachsen abgebildet. Wann welche Pflanzen und Tiere auftauchen, ist so gesetzt, dass ich damit die Evolution nachempfinde.

Beim 6. Tag heißt es im Text „da spricht Gott: Lasst uns Menschen machen…“

In den beiden Bildern sehen wir aber nur Tiere, jetzt in einer definierten Landschaft, die uns als Betrachter ansehen.

Da gibt es Bezüge zur Kunstgeschichte: In dem Moment, in dem die lineare Perspektive in Florenz erfunden wurde, entsteht eine andere Wahrnehmung der Welt, wie die Bilder von Filippo Brunelleschi zeigen. Mit der perspektivischen Darstellung der Landschaft, der Gebäude rückt also der Mensch in den Fokus, aber nicht, dass man ihn hineingezeichnet hätte, sondern er ist vielmehr der Betrachter.

Erst bei der vorletzten Seite zeichnest du Menschen – als Hirten und Flötenspieler.

Ja, der Mensch erscheint zuerst als Silhouette, dann zeige ich den Menschen in den zwei Aufgaben, die ich für die wichtigsten halte: Wir müssen die Welt hüten und wir müssen die Schöpfung feiern.

Du hast auch Lebewesen eingebaut, die der Fantasie des Menschen entsprungen sind.

Ohne die Fabeln und Mythen, ohne Fantasie geht es nicht, das gehört zum Menschsein dazu. Kreative Schöpfung entsteht auch im Kopf, da gehören Fabelwesen dazu.

Dein Vor- und Nachsatz ist ja ein ganz Spezieller, ebenso das Vorwort.

Es ist im Buch die einzige Kritik an der Menschheit, dass unser Handeln zu einer massiven Gefährdung der Welt führt. Beim Vorsatz zeige ich einen großen Eisberg, der am Schluss dann klein geworden ist. Ansonsten geht es um die Schöpfung, um die Vielfalt, um alles, was wir zur Verfügung haben. Was wir damit machen, das liegt in unserer Verantwortung.

Das Gespräch führte und notierte Sabine Fuchs.